Durch meine Arbeit habe ich oft Kontakt mit älteren Klienten, die sich nicht mehr an gestern erinnern können. Demenz ist ein belastendes Thema vor allem für die Angehörigen. Für mich ist die Begegnung mit diesen besonderen Menschen nichts Ungewöhnliches. Mein Uropa war aus heutiger Sicht dement. Damals hieß das noch nicht so.
Man sagte: TicktackOpa ist heute aber wieder stur und ganz schön vergesslich. Komische Sachen hat er heute wieder angestellt. Einmal wollte er seinen Kleiderschrank kürzen. Er konnte wohl nicht mehr nach ganz oben reichen. Also holte er unbemerkt eine Säge aus dem Keller und kappte zuerst die zwei vorderen Schrankbeine – da kam er gut ran. Und lag schwupps unter oder vielmehr im Schrank. Gott sei Dank gingen die Türen beim Umkippen auf. Für mich als Kind war so etwas immer lustig. Mir als Mädchen frisierte er zu gerne die Haare. Mit Birkenhaarwasser und seinem schwarzen kleinen Hornkamm verpasste er mir regelmäßig eine ordentliche Jungsfrisur einschließlich astreinem Mittelscheitel.
Ich liebte es vor ihm auf dem Boden zu sitzen und seinen Erinnerungen von früher zuzuhören. Die Geschichten seiner Jugend Anfang 1900 waren so lebendig. Viele alte Lieder brachte er mir bei. Für mich sind das heute meine schönen Erinnerungen an vergangene Tage. Wenn ich Klienten mit Demenz in der Beratung habe steigt von ganz innen Respekt und Zuneigung in mir auf. Ich bin dankbar für jedes dieser Gespräche, weil sie mich in eine fast vergessene Welt mit nehmen. Das Herz altert nicht und vergisst nichts sagt man.